Beim Eröffnungskonzert einer neuen Konzertsaison der Dresdner Philharmonie, wir spielten eine der fast 90-minütigen Mahler-Sinfonien, hielt unser Mitte-70-jähriger Chefdirigent im langsamen 3. Satz eine Fermate ganz besonders lang, übergab dabei den Taktstock an den Konzertmeister und verließ die Bühne. Wir spielten weiter, viele Kollegen machten sich große Sorgen um unseren Chefdirigenten. Der Konzertmeister dirigierte nun weiter: in der rechten Hand den Taktstock – links noch die Geige. Er tauchte kurz ab, legte seine Geige auf den Boden, stand wieder auf und suchte in der Partitur die richtige Seite, denn die Partitur war schon länger nicht mehr umgeblättert worden. Während das Tempo des langsamen Satzes nun unwillkürlich immer langsamer wurde, riefen einige Musiker in die Musik hinein, an welcher Stelle wir gerade spielen. Nach einiger Zeit kam der Chefdirigent wieder auf die Bühne zurück.
Nach dem Konzert gab es den Empfang zur Eröffnung der Spielzeit, auch Politiker und die Presse waren da. Alle fragten sich natürlich, was los war. Der Chefdirigent hielt eine kurze Ansprache und sagte: „Es war ein menschliches Bedürfnis. Ich hatte die ganze Zeit überlegt, was schlimmer wäre!“ Am nächsten Tag titelte die Boulevardpresse: ‚Im Konzert: Dirigent floh aufs Klo!‘